In diesem Jahr haben 27 Kreativteams ihre Werke für den Innovationswettbewerb der Filmstiftung eingereicht. Die Jury, bestehend aus Gloria Gammer und Cihan Inan, hat aus den vielfältigen Einreichungen folgende drei Gewinnerprojekte gekürt.
Die Gewinnerprojekte des Fast Track 2024
«Eternity»
Von Susanne Regina Meures
Geschätztes Projektbudget: CHF 400’000
Beteiligung Zürcher Filmstiftung: CHF 320’000
Eternity dokumentiert auf aussergewöhnliche Weise den Zustand unserer Welt. Als immersives Erlebnis soll er die Zuschauenden verblüffen, verführen und zu eigener Reflexion anregen. Zusammen mit der Choreographin Florentina Holzinger wird ein Performancestück auf einem schmelzenden Gletscher in den Schweizer Alpen in Szene gesetzt.
Begründung der Jury:
Dieser Essayfilm setzt einen im Schwinden begriffenen Schweizer Gletscher ins Verhältnis mit dem weiblichen Körper und inszeniert beide als etwas Monumentales und gleichzeitig Verletzliches. Er thematisiert den Klimawandel und seine Folgen ohne auf pädagogische Kunstgriffe oder viel Information zurückzugreifen, sondern indem er ein ästhetisches, immersives Erlebnis erschafft.
An der Spitze dieses Projekts steht ein Trio aus starken Persönlichkeiten unterschiedlicher und doch miteinander verwandter Künste: die Filmregisseurin Susanne Meures, die Choreografin Florentina Holzinger und die Dramaturgin Eva Maria Bertschy.
Auf dem Boden des Ökofeminismus soll hier ein kollektives Werk wachsen, welches vermuten lässt, die anthropozentristische Perspektive zu verschieben. Dieses Werk holt den Berg ins Tal und kann so zur Stärkung des Bewusstseins und der Würdigung des Grossartigen, Nicht-Menschlichen beitragen.
Es ist zu erwarten, dass dieses filmische Werk in der Auswertung die Grenzen zwischen Film, bildender Kunst und Theater durchbricht und in allen drei Kontexten Zusehenden den Atem rauben kann.
Durch diese experimentelle Arbeit erschliessen sich die drei Künstler:innen kollektiv neues Terrain in ihrem jeweiligen Werk (body of work). Die Herausforderung wird sein, eine gemeinsame künstlerische Vision in allen Details durchzuführen.
«Das Training»
Von Andy Herzog und Matthias Günter
Geschätztes Projektbudget: CHF 365’000
Beteiligung Zürcher Filmstiftung: CHF 292’000
Kann Humor erlernt werden, um ihn als Bewältigungsstrategie in den Herausforderungen des Lebens einzusetzen? Die Handlung der Tragikomödie entfaltet sich um einen Humorkurs zur Stressbewältigung für Mitarbeitende im Gesundheitswesen. Dieser Kurs bildet den Kontrast zum Alltag in einem Pflegeheim, wo Tod, Krankheit und Vergänglichkeit, sowie der berufliche und persönliche Druck der Mitarbeitenden eine ständige Präsenz sind.
Begründung der Jury:
Aktuell diskutieren viele in Europa über die Überforderung und den alltäglichen Stress von Pflegekräften im unterbesetzten Gesundheitswesen. „Das Training“ rückt zwei Pflegekräfte ins Zentrum und greift somit dieses relevante Thema auf. Im Setting eines Altenheimes absolvieren diese zwei gestressten Mitarbeiter:innen einen Humorkurs, was eine spannende Sozialkomödie verspricht.
Wir begrüssen, dass der Projektinitiant und zugleich eine:r der Darsteller:innen des Films selbst aus der Praxis kommt und dadurch glaubwürdige Insights mitbringt. Der Fakt, dass im Pflegebereich sehr viele Menschen mit Migrationsbiografien tätig sind und diese auch zugleich zum grösseren Teil aus einem weiblichen Personal bestehen, sehen wir als zu meisternde Herausforderung für die beiden männlichen Regisseure, sich zusätzlich mit einem weiblichen dramaturgischen Blick auseinanderzusetzen. Gerade die ungewohnte, aber schon im ersten Film erprobte und gelungene Arbeitsweise der reinen improvisierenden Erarbeitung der Szenen kann durch einen erweiterten diversen Blick auf die vielschichtigen Identitäten eine klischeesprengende Humorebene möglich machen und unerwartete Perspektiven eröffnen.
In der Erwartung, dass diese Tragikomödie ein grosses Publikum finden und ansprechen wird, freuen wir uns auf einen witzigen und zugleich ernsten Filmabend, der die Höhen wie die Tiefen der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens von Personal und Altersheimbewohner:innen auf humorvolle Weise zeigen wird.
«Zwischen_Zeiten»
Von Bianca Gadola
Geschätztes Projektbudget: CHF 90’000
Beteiligung Zürcher Filmstiftung: CHF 72’000
Was sind Zwischen_Zeiten? Geprägt wurde der Begriff im alten Ägypten. Das Jahr wurde in zwölf Monate à 30 Tage eingeteilt. Im Mondkalender blieben aber am Ende des Jahres fünf (im Schaltjahr sechs) Tage übrig. Das waren die Tage zwischen den Jahren, die Zwischen_Zeiten, von denen es noch viele mehr gibt: nämlich all jene Momente zwischen Terminen, zwischen Arbeit, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Was passiert in diesen Zwischen_Zeiten, wie verbringen Menschen Pausen, wie vertreiben sie sich Zeit? Ist es ein Warten, ein Verlorensein? Ist die Zwischen_Zeit gewonnene Zeit oder nur ein Zwischen_Zustand? Dieser Film setzt mehrere Dazwischen in eine Collage, die die Trivialität des Daseins greifbar macht, indem er sonst unbekannte und übersehene Räume unserer Existenz ausleuchtet.
Begründung der Jury:
Dieser hybride Essayfilm studiert die Momente, an denen scheinbar nichts passiert. Es ist ein thematischer Zoom in auf die sonst unbemerkt bleibenden Details, auf die kleinen Gesten, auf das Wenige, auf jenes, was in der Stille, zwischen Handlungen und Dialogtexten passiert. Somit studiert es, was jeden Film essentiell zusammenhält, was aber von vielen Zusehenden kaum bewusst bemerkt wird. In diesen stillen Momenten liegen aber oft grosse Wahrheiten über Figuren, nach dem Motto „ein Blick sagt mehr als tausend Worte“. Der Film möchte mit der Erwartung der zusehenden Person spielen, indem er eben keine explizite Handlung oder Dialogtext anbietet, sondern die Erwartung, im Film müsse immer etwas die Geschichte vorantreibendes passieren, der zusehenden Person selbst vorführt. Anstatt auf Klimax und Katharsis hinzuarbeiten entscheidet sich dieses filmische Werk bewusst für die Darstellung des Antiklimax.
Dieser konzeptionelle Film giesst sich in eine heterogene Ästhetik, die unterschiedliche Kameratypen, inszeniertes Spiel, dokumentarische Aufnahmen und Animation zu kombinieren sucht.
Die Herausforderung bei diesem filmischen Werk wird darin bestehen, der reinen Aneinanderreihung von Momenten zu entkommen und das Dazwischen, seine Anfänge und Enden auf dramaturgisch interessante Weise zu variieren und den ästhetischen Faden durch die heterogenen Bildtexturen zu finden.
Insgesamt erwarten wir ein spannendes Werk, das sowohl im Bereich des experimentellen Filmes, als auch im Kontext von Museen ausgewertet werden kann.