In diesem Jahr haben 32 Kreativteams ihre Werke für den Innovationswettbewerb der Filmstiftung eingereicht. Die Jury, bestehend aus Moriz Stangl und C.B. Yi, hat aus den vielfältigen Einreichungen folgende drei Gewinnerprojekte gekürt.
Die Gewinnerprojekte des Fast Track 2023
«First Days»
Von Kim Allmand und Michael Karrer
Geschätztes Projektbudget: CHF 290’000. Die Zürcher Filmstiftung beteiligt sich mit CHF 232’000
In einer Zeit, in der das Individuum wichtiger geworden zu sein scheint als das Gemeinsame, möchten die beiden Filmemacher mit ihrem Filmprojekt Partei für das Verbindende, das Kollektive ergreifen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern durch ein auditiv-visuelles Erlebnis, das die Betrachtenden auf eine kontemplative und meditative Reise einlädt. Sie möchten mit diesem Film «einen Raum bieten, um wieder eine Wertschätzung zu ermöglichen für das, was uns umgibt, und uns miteinander verbindet». In First Days beobachten sie zwei Geister, die sich im Limbo – einem Ort zwischen dem Diesseits und dem Jenseits – begegnen. «Der Film soll die Themen Mensch & Natur, Tod und Entschleunigung auf glaubwürdige Art und Weise verhandeln, indem er inhaltliche und formale Experimente wagt und ressourcenschonend produziert wird. Im besten Fall kann dieser Film unser Denken in Kategorien und Grenzen erschüttern und unser Verhältnis zur Natur de-hierarchisieren.»
Begründung der Jury:
«First Days» besticht durch das gewagte künstlerische Konzept von anspruchsvollem Niveau mit einer stimmungsvollen, atmosphärischen Bildsprache. Die Handlung kommt vollständig ohne Dialoge aus, ist aber durchwegs lebendig, spannend und von sinnlicher Konkretion. Das junge Kreativteam überzeugt durch Reife, Reflexion und Klarheit sowohl auf inhaltlicher Ebene als auch im Umgang mit den Schwierigkeiten der Kollaboration. Ein schonender Umgang mit eigenen und fremden Ressourcen sowie eine ökologisch verantwortungsvolle Produktionsweise sind ein echtes Anliegen, das nicht nur auf dem Papier existiert und vermittelt wird. Ein schlichter, aber sinnlicher und lebendiger Film, der durch seine stilsichere Bildsprache ein Erfolg auf nationalen und internationalen Festivals zu werden verspricht.
«Hotel Excelsior»
Von Liliane Ott, Talkhon Hamzavi, Martin Skalsky und Jessy Moravec
Geschätztes Projektbudget: CHF 400’000. Die Zürcher Filmstiftung beteiligt sich mit CHF 320’000
„Wenn diese Wände sprechen könnten, welche Geschichten würden sie erzählen?“ Wem ging dieser Gedanke nicht schon einmal durch den Kopf? «Hotel Excelsior» ist ein Kollektivfilm und Teil eines transmedialen Story-Universums, das sich von diesem Gedanken inspirieren lässt. In ihrem Projekt erzählen vier Regisseur:innen vier Geschichten, die alle über eine Zeitspanne von hundert Jahren im selben Hotelzimmer stattfinden. Gleichzeitig legen sie mit diesem Kollektivfilm den Grundstein für ein Transmediaprojekt, das über die nächsten zehn Jahre weiter wachsen soll. Ihre Themen drehen sich um Identität und deren (Neu-)Definition im Verlauf eines Lebens. Damit setzen sie sich auch mit dem Spannungsfeld zwischen der Sicherheit des Bekannten und dem Drang nach Freiheit auseinander. Mit der Unterstützung des Fast Track entsteht ein 80-minütiger Episodenfilm, der am Ende seiner Festival- und Kinoauswertung wieder in seine Einzelteile zerlegt und als vier Kurzfilme auf einer Website präsentiert wird, welche wiederum Start eines Langzeitprojekts sein soll.
Begründung der Jury:
«Hotel Excelsior» bietet gleich mehreren Filmemacher:innen, deren Geschichten alle über eine Zeitspanne von hundert Jahren im selben Hotelzimmer stattfinden, eine Chance. Das Team überzeugt durch eine gute, produktive Gruppendynamik sowie unabhängige Positionen, die alle eine eigene, künstlerische Handschrift haben. Das Vorhaben liefert viel Freiraum für die kreative Individualität der Beteiligten aufgrund ihrer unterschiedlich gesammelten professionellen Erfahrungen in der Filmwelt u.a. im Schauspiel, der Filmmusikkomposition und der Produktion. Diese Vielfalt wird durch einfache aber klare inszenatorische, formale, ästhetische Mittel zusammengehalten, wobei der gemeinsam gestellte Rahmen die Experimentanordnung für eine künstlerische Zusammenarbeit bietet. Der Film ist der Start eines Langzeitprojekts, welches sich in den nächsten 10 Jahren über die Grenzen des Mediums hinaus entwickeln will. Die Jury wünscht und erhofft sich, dass dieses Projekt und sein Kollektiv ein nachhaltiges Wirken erreicht, um künftig weiteren Filmemacher:innen eine Startmöglichkeit zu bieten.
«7Stories»
Von Lorenz Merz
Geschätztes Projektbudget: CHF 400‘000. Die Zürcher Filmstiftung beteiligt sich mit CHF 320’000
Ein unberührtes Bewusstsein taucht in sieben atmende Dinge auf der Erde ein und durchlebt innerhalb und ausserhalb dieser Körper sieben verschiedene Wahrnehmungen. Von dem Einen in das Andere führend entwickelt sich für dieses unberührte Bewusstsein eine unvorhersehbare Reise mit einem urteilslosen Blick auf alles was ihm zufällig begegnet. «7Stories» sind sieben, scheinbar zusammenhangslose «Non-Stories» über vermeintlich Alltägliches, wobei für wenige Sekunden, die Seele aller Dinge gestreift wird. Die Reise des unberührten Bewusstseins beginnt mit der Ankunft in einem neugeborenen Menschenkörper.
Begründung der Jury:
«7Stories» ist die Reise eines Bewusstseins, das zum ersten Mal die Augen aufschlägt und die Welt unbedarft anblickt; 7 Teile, wobei stets ein Nebenelement zum zentralen Motiv des nächsten Teils wird. Das künstlerische Konzept stellt kein Ziel und Endergebnis vor Augen, gibt aber eine konkrete Vorstellung vom Weg dorthin. Eine surreale Ausgangslage, welche sich nicht vorab in eine Logline fassen lässt und welcher der Fast Track den nötigen Freiraum bietet. Auch wenn ein grosses Risiko besteht, indem das existenzielle Drama als Konzept gleichzeitig ein Wagnis ist, so überzeugt das Vorhaben letztlich durch die bildgewaltigen Ideen und den spürbaren künstlerischen Willen des Filmemachers. Im Gegensatz zur inhaltlich vollkommenen Freiheit steht die absurde Formstrenge der selbstauferlegten Struktur, die den Zwiespalt des Künstlers zwischen Spieltrieb und Selbstbeschränkung deutlich macht.
Die Jury möchte dem Projekt folgende Worte des Dichters mit auf den Weg geben: „Denn eben die Beschränkung lässt dich lieben / wenn sich die Geister gar gewaltig regen / und wie sie sich dann auch gebärden mögen / Das Werk ist doch zuletzt vollendet blieben“ (Goethe).